13.03.2002 FAZ, von Roland Zorn
Als es dem deutschen Eiskunstlauf wohl zu gut ging, war der Rat der alten Meister nicht gefragt. Nun, da das Kunststück gefordert ist, dem ins Abseits gerutschten Kunstlauf wieder auf die Kufen zu helfen, meldet sich Norbert Schramm zurück. Ein gutes Zeichen zumindest, daß die Deutsche Eislauf-Union (DEU) und einer ihrer seit langem schärfsten Kritiker endlich gemeinsam, nach Wegen zurück zu alter Stärke suchen. Zum deutschen Niedergang dieser - die Olympischen Winterspiele in Salt Lake City haben es jüngst wieder bewiesen - spektakulären Sportart haben nicht zuletzt die jahrelangen internen Streitigkeiten und Intrigen, das Pfründendenken und die teils unglaubliche Ignoranz und Arroganz von Funktionären und Trainern innerhalb der DEU beigetragen. Schramm hat schon zu Zeiten des früheren DEU-Präsidiums Anläufe unternommen, seine Mitarbeit anzubieten - sie scheiterten jedesmal, verziert mit abfälligen Vermerken wie: "Dem Mann geht's nur ums Geld."
Jetzt geht's um die nationale Geltung einer Disziplin, die von außergewöhnlicher Faszination für ein großes Publikum sein könnte. Wenn sich denn Läuferinnen und Läufer mit dem gewissen Etwas finden ließen. Die aber sind derzeit, vielleicht abgesehen von dem Tanzpaar Winkler/Lohse, weit und breit nicht in Sicht. Warum? Weil sich in den vergangenen Jahren in deutschen Eishallen eine muffige Mischung aus Mut und Freudlosigkeit bei der Trainingsarbeit mit jungen Leuten breitmachte.
Die Vorbilder von gestern, die Eiskönige und Eisprinzessinnen Von einst, wurden bei allen Projekten und Projektionen geflissentlich übersehen und in die Tagesarbeit an neuen Träumen nicht eingebunden. Vielleicht mußte es erst so weit kommen, daß die Deutsche Eislauf- als Deutsche Auslauf-Union verspottet wurde, um ein Umdenken von oben in Gang zu setzen. Mag auch die bevorstehende Kooperation mit dem zweimaligen Europameister Schramm fürs erste nicht mehr als ein Signal der Hoffnung sein, so wird doch die Bereitschaft deutlich, sich endlich aus alten Verkrustungen und Fesseln zu befreien. Das wird auch an anderer Stelle, nämlich in Chemnitz, sichtbar. Dort arbeitet der ehemalige Paarlauf-Weltmeister Ingo Steuer intensiv und gründlich wie zu Seiner aktiven Zeit daran, dem fast schon verschiedenen Paarlauf in Deutschland wieder eine Chance zu geben. Der Entschluß der zweimaligen deutschen Meisterin Eva-Maria Fitze, mit Rico Rex als Partner und Steuer als lenkender Autorität an der Bande zu neuen Zielen aufzubrechen, weist in die richtige Richtung.
Wenn also Eismeister wie der unerschöpfliche Ideenproduzent Schramm und der penible Schaffer Steuer ohne bürokratische Vorgaben an die Basis ihrer lebenslangen Leidenschaft zurückkehren, kann das dem deutschen Eiskunstlauf nur guttun. Er hat einen Frischeschub bitter nötig - nicht nur auf dem Eis.