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Norbert Schramm erlebt das einmal verlorene Glück neu und anders
Vor neuer Zusammenarbeit mit der DEU

13.03.2002 - FAZ - von Uwe Prieser

Der Eisprinz lernt die Sorgenkinder des Lebens kennen

MÜNCHEN. Als Norbert Schramm zum ersten Mal in seinem Leben kleinwüchsigen Menschen begegnete, da waren sie Märchenfiguren: Schneewittchens sieben Zwerge, die er als Kind in einer Eis-Show mit Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler erlebte. Zwanzig Jahre später waren sie bei Holiday on Ice seine Kollegen auf Schlittschuhen. Schramm war Revue-star und nun selbst eine Märchenfigur. Weitere zehn Jahre vergingen bis zur nächsten Begegnung. Norbert Schramm, 41 Jahre alt, war aus der Traumwelt auf dem Eis in die Realität getreten: Diesmal erlebte er kleinwüchsige Menschen als Außenseiter der Gesellschaft.

Die Erfahrung mit der Realität des Lebens hatte er da freilich schon hinter sich. Sie holte ihn ein, nachdem er sein Prinzenreich über dem gefrorenen Wasser verlassen und sich 1993 mit einer großen Party von seinem Leben als Schlittschuhstar verabschiedet hatte. Schramm gründete damals eine Agentur: "Happy Marketing". Der Firmenname war Lebensprogramm. Doch was folgte, war die bisher schwierigste Phase seines Lebens. Viereinhalb Jahre lagen vor ihm, in denen Streß und nicht Sport sein Leben beherrschte und seine Schlittschuhe daheim in Oberdorf im Kellerlicht rosteten. Erst als er sie unerwartet noch einmal hervorholte, kehrte das Glück zurück. Das war kein Wunder. Das Eis hatte ihn immer glücklich gemacht. "Glück vermitteln, aber wie?" fragte sich Norbert Schramm im vergangenen Jahr, als er über das problembeladene Leben der Menschen nachdachte, für die die ARD-Fernsehlotterie ins Leben gerufen wurde. Er arbeitete bei einer PR-Agentur, die die Fernsehlotterie betreut. Der Projektleiter Schramm suchte nach einer Projektionsfläche für das Glück. Was lag für ihn näher als die Eisfläche?

Dank seiner Verbindungen brachte er die ARD mit "Holiday on Ice" zusammen und fand dabei das Motto der Aktion: "Partner für den guten Zweck". Eislaufen für Kinder im Rollstuhl, für körperlich und geistig Behinderte, für Schwererziehbare, für Kinder, die am Rand der Gesellschaft aufwachsen, für Kleinwüchsige. Viele hatten noch nie auf Schlittschuhen gestanden, bevor sie die Prinzessinnen und Prinzen von "Holiday on Ice" an die Hand nahmen und in eine Well entführten, die sie noch nicht kennengelernt hatten. Eine Welt, in der man sich schwerelos fühlen kann.

Die rote Prinzessin mit dem Flammenrock dreht sich mit der fünfjährigen Natascha im Arm, daß die Welt hinter ihrer Hornbrille zu einem bunten Schleier verschwimmt und das kleine Mädchen aus Rumänien vor Vergnügen kreischt. Prinz Glühwürmchenjacke führt den mutigen elf Jahre alten Daniel von Mann zu Mann zu einem gewagten Dreiersprung. Miss Schneeflocke hat bereits das Talent der Türkin Gese entdeckt und zeigt ihr, wie sie ihre kleinen Füße zu einer Pirouette stellen muß. Geses Gesicht leuchtet wie ein Scheinwerfer bis hinauf auf die dunklen Tribünenplätze der Münchner Olympiahalle, wo "Holiday on Ice" gerade gastiert. An diesem Nachmittag gehört die Halle diesem Dutzend Kindern von obdachlosen Müttern.

Und durch den stolpernden, kreischenden Kinderschwarm fährt er hindurch, leicht aus der Lendenwirbelsäule wippend wie früher, fährt Norbert Schramm von Kind zu Kind, nimmt es an die Hand, schiebt es vorwärts, rückwärts, dreht sich mit ihm und läßt es vorauslaufen zwischen seinen auffangbereiten Armen, In grauer Hose, schlichtein Wollhemd. Nur wenn er zum Spaß eine Pirouette dreht, schimmert der Eisprinz durch. Und in seinem Lachen, groß wie der Mond. Wie vor zwanzig Jahren, als er, der Popkünstler Schramm, die Eislaufwelt entzückte, zweimal Europameister, zweimal Zweiter bei der Weltmeisterschaft war.

"Angefangen hat das im vergangenen September auf der Funkausstellung in Berlin", erzählt er. "Wir hatten alle ein bisschen Bauchschmerzen bei der Vorstellung, Kinder im Rollstuhl aufs Eis zu bringen. Ein mongoloides Mädchen war auch noch dabei. Vor ein paar Jahren hätte ich so etwas noch von mir geschoben. Man hat ja doch Berührungsängste. Auch die Läuferinnen und Läufer von Holiday on Ice waren nervös. Also in Glitzerkostümen behinderte Kinder übers Eis schieben" Das Eis selbst ließ das Eis sogleich schmelzen. Eine neue Erfahrungswelt tat sich auf. Für beide Seiten, Und nach kurzer Zeit warfen die Kinder in ihren Rollstühlen Ellenbogen- und Knieschützer fort: "Das behindert uns bloß!" Und der Junge, der sich zuerst strikt geweigert hatte, aufs Eis zu fahren, wollte gar nicht wieder herunter. Er hatte sich in die Revueläuferin verliebt, die ihn übers Eis schob."

In Dortmund traf Schramm auf eine Gruppe schwererziehbarer und verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher. "Die sagten, da kommt einer, der war mal Weltmeister, und der kommt extra aus München, nur um mit uns Schlittschuh zu laufen. Extra für sie, das war für die das Größte", erzählt er. Und dann machte er ihnen auch noch einen Salto rückwärts vor. Norbert Schramm sieht glücklich aus, wenn er von seinen Begegnungen mit den "Sorgenkindern des Lebens" erzählt. Das ist nicht mehr das Glück seiner Eislauftage- Es ist ein bewußteres, gereiftes Glück. So erlebt man das Glück, wenn man es schon einmal verloren hat. Am Neujahrsmorgen 1997 wurde Norbert Schramm von einer halbseitigen Gesichtslähmung geschockt. Ein halbes Jahr lang hatte er Hemmungen in der Öffentlichkeit. Die Lähmung war eine Reaktion seiner Nerven auf das Leben im Dauerstreß. Die Agentur "Happy Marketing" ließ sich nicht halten. Schramm arbeitete zwar wie verrückt, doch der Markt hatte sich verändert. Das war eine Zeit, in der er verunsichert und orientierungslos war.

Der Schock der Lähmung brachte ihn zum Sport zurück. Er joggte. Zu Beginn schwer atmend wie ein Kettenraucher in der Rehabilitation. Zum fünfzigsten Geburtstag des Eistanztrainers Martin Skotnicky im August 1997 willigte er ein, widerstrebend zuerst, ihm ein Ständchen auf Schlittschuhen zu laufen. "Norbert", sagten sie hinterher, "du hast viel zu früh mit dem Eislaufen aufgehört." Abends kam er nach Hause, sagte zu Nicola, seiner Frau: "Da sind ein paar Verrückte, die wollen, daß ich wieder eislaufe." Sie sah ihn an. "Tu's doch. Du siehst so glücklich aus." Noch einmal kehrte er für zwei Jahre ins Eisrevueleben zurück.

"Seit Jahresanfang bin ich künstlerischer Leiter der Eisshow im Europapark in Rust", erzählt er. Im größten Freizeitpark Europas erfindet er Shows, choreographiert und verpflichtet die Eisläufer. Demnächst wird Schramm voraussichtlich auch mit der Deutschen Eislauf-Union (DEU), zum Beispiel bei Lehrgängen, zusammenarbeiten. Der frühere Europameister soll dabei mitwirken, dem deutschen Eiskunstlauf mit seiner Erfahrung und seinem Wissen aus seiner momentanen Krise herauszuhelfen. Der schon als Läufer besonders innovative Schramm möchte dabei Läufern wie Trainern psychologisch einfühlsam und pädagogisch geschickt auf die Sprünge helfen, "Die Läufer", sagt er, "brauchen ein größeres Know-how" – und neue Trainingsformen, die die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Sportler stärken sollen.

Schramm hat so viel vor, daß ihm sein Leben wie eine wunderbare Baustelle vorkommt. Das läßt er alles auf sich zukommen. "Früher habe ich immer in der Zukunft gelebt. Das mache ich nicht mehr. Das Leben, das ist doch jetzt, die Gegenwart." Die Gegenwart von Kindergesichtern beispielsweise. Wer Norbert Schramm dann lachen sieht, erinnert sich sofort an den Eisprinzen von einst. Einen Mann, der aus den Kulissen von Fantasy-Land ein reales Leben gebaut hat.

 

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