Pirouetten in Oberstdorf
VON KLAUS-REINHOLD KANY, 17. November 2001
Der Eislauftrainer Erich Zeller formte aus Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler das Traumpaar der sechziger Jahre
Im amerikanischen Nachtklub von Garmisch-Partenkirchen, dem "Casa Carioca", begann nach dem Krieg 1945 Zellers zweite sportliche Laufbahn. Da der gelernte Maschinenbau-Ingenieur keine Anstellung fand, trat er für 500 Dollar im Monat auf der kleinen Eisfläche der "Casa Carioca" auf. 1942 war der Berliner Student deutscher Meister im Einzellauf geworden, konnte aber wegen des Krieges nie international starten. Er wurde einberufen.
1956 bat ihn ein gewisser Hans-Jürgen Bäumler um Unterricht - Beginn einer Trainerkarriere. Wer nach erfolgreichen westdeutschen Eiskunstlauf-Trainern vergangener Jahrzehnte fragt, stößt zuerst auf Erich Zeller, den "Sepp Herberger des westdeutschen Eiskunstlaufens". Seine Läufer gewannen mehr als 40 Medaillen bei Europa- und Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen. Am bekanntesten waren Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler, das Traumpaar der sechziger Jahre. Zeller machte die beiden zu einem Paar, das die Massen verzauberte und Aushängeschild des Westens im damaligen Ost-West-Konflikt war. Seine schönste Erinnerung waren die Olympischen Spiele von 1960, als die beiden überraschend Silber gewannen. Den größten Frust erlebt er vier Jahre später, als Kilius/Bäumler als große Favoriten nach einem Patzer von Marika wieder nur Silber gewannen. Der zweite WM-Titel einige Wochen später in Dortmund glättete die Wogen, obwohl Bäumler gegen Zellers Willen die Kür posenreicher gemacht hatte und damit die russischen Rivalen kopierte.
Aber Zeller formte auch viele andere Schüler. Er war kein Sprücheklopfer, sondern ein emsiger Arbeiter. Der zweifache Europameister und Vizeweltmeister Norbert Schramm arbeitete mehr als neun Jahre mit ihm und sagt heute über seinen Trainer: "Er hat einen wesentlichen Teil meines Lebens geprägt. Meine Erfolge habe ich ihm mit zu verdanken. "Eze" war einer von den Trainern, die sehr viel Wert auf Disziplin gelegt haben. Hier hat er mir sehr viel für das Leben mitgegeben."
Zeller legte großen Wert auf die damals noch vorgeschriebenen Pflichtfiguren und wehrte sich vergeblich gegen ihre in den achtziger Jahren beschlossene Abschaffung: Nirgendwo könne man die Bewegungsabläufe so gut erlernen wie in der Pflicht. Nach seiner Pensionierung arbeitete er zunächst noch als Berater und blieb Präsident des Welt-Trainerverbandes. Anfang der neunziger Jahre zog er sich zurück.
Erich Zeller wurde am 13. Januar 1920 in Augsburg geboren. Er starb am 6. November 2001 in Garmisch-Partenkirchen.
Quelle: www.welt.de